Randbereiche 2023
„Die Grenze ist keine räumliche Tatsache mit soziologischer Wirkung, sondern eine soziologische Tatsache, die sich räumlich formt." (Georg Simmel)
Textilien fungieren als natürliche Grenzen, sie sind Kleidungsstücke, Decken, Vorhänge, Zelte. Stoffe sind eng verknüpft mit emotionalem Erleben und persönlichen Erfahrungen, ihr taktiler Reiz ist in unserer leiblichen Erinnerung eingeschrieben.
Das Textile als das den Körper Umhüllende ist Teil des ersten Eindrucks einer Begegnung, es entscheidet über Nahbarkeit und Abgrenzung, Empathie oder Zweifelhaftigkeit des Gegenübers.
Die Komplexität der Grenze besteht darin, dass sie wahrzunehmen nur von außerhalb, in der Vogelperspektive oder durch ihr Verletzen, also in einer Überschreitung der Grenze gelingt.
Hanna Klingseisen beschäftigen Be- und Entgrenzungen, im privaten wie gesellschaftlichen Kontext.
Ursprünglich ausgehend von Erfahrungen der Mutterschaft, stellt sie sich in ihrer künstlerischen Auseinandersetzung Fragen, die weit über diesen persönlichen Raum hinausgehen: Wieviel bleibt vom Selbst, von der eigenen Kontur, wenn eine ständige, (zeitlich wie räumliche) Verbindung mit zu anderen Menschen besteht?
Was macht unsere eigene Grenze aus? Wodurch entstehen Verbindungen?
Gesellschaftliche Entgrenzungen zeigen sich im Lösen von Strukturen, dabei steht das Individuum der Gemeinschaft gegenüber.
Trotz stetig zunehmender Individualisierung und damit einhergehender Abgrenzung, verschmelzen wir gleichsam mit der Öffentlichkeit – in unserer Darstellung, in unserem Arbeiten und globalem Denken.
In gesellschaftlicher, wirtschaftlicher und politischer Hinsicht entstehen neue Berührungspunkte, Grenzen lösen sich, formen sich neu. Das Ende des einen wird zum Anfang des anderen.
Verwoben mit unserem Selbst und der Außenwelt, formt unsere individuelle Wahrnehmung Begrenzungen oder ermöglicht es, diese aufzulösen.
Wie ziehen wir die Grenzen zwischen den Dingen, und welche Beziehung besteht zwischen inneren und äußeren Grenzen?
2021/2022